Das offene Web und das Geld

Im Mai 2023 wurde die Suchmaschine Neeva abgeschaltet. Dass die meisten Menschen vermutlich bis heute noch nie von Neeva gehört haben, dürfte der wichtigste Grund dafür gewesen sein.

Neeva war eine Suchmaschine, die zur Refinanzierung statt auf Werbeanzeigen auf ein Abomodell setzte. Das dürfte der zweitwichtigste Grund für das Scheitern des Angebots gewesen sein.

Als Anwender*innen sind wir seit mehr als einem Vierteljahrhundert daran gewöhnt, dass Google und Co. uns kostenlos binnen Sekundenbruchteilen die Welt zu Füßen legen. Da scheint es ein Schritt in die falsche Richtung zu sein, jetzt neben drei Videoservices, einem Musikstreamingdienst, dem Onlinegaming-Service, zwei Nachrichtenseiten und ungezählten App-Abos auch noch Geld für die Suchmaschine zu bezahlen. Zumal Google ja auch unangefochten als beste und zuverlässigste Suchmaschine gilt. Und wer ein bisschen was auf seine persönlichen Daten hält, ddgt [diːdiːdʃiːt] eben bei duckduckgo. Ist ja auch kostenlos.

Werbefinanzierung

Was wir dabei übersehen, der Betrieb einer Suchmaschine kostet Geld. Neben den Kosten für Server, Infrastruktur und Energie, investieren Google, Microsoft und andere verbliebene Suchmaschinenbetreiber jedes Jahr enorme Beträge in die Weiterentwicklung ihrer Software und das sogenannte Crawling des Webs (also das Durchforsten und Katalogisieren des Netzes). Eine komplett eigenständige neue Suchmaschine zu entwickeln, würde Milliarden kosten. Auch Duckduckgo und andere alternative Suchmaschinen greifen daher auf die Webindizes von Bing und Google zurück und bezahlen ihre großen Konkurrenten dafür.

Refinanziert werden die Suchangebote in aller Regel mithilfe von Werbeeinblendungen. Gerade im Fall von Google hat das im Laufe der Jahre zu einer merklichen Verschlechterung der Ergebnisqualität geführt. Suchmaschinenspam von anderen werbefinanzierten Trash-Angeboten wie Pinterest, LinkedIn oder speziell im deutschsprachigen Raum die Seite gutefrage Punkt net, dominieren die Googleergebnisseiten. Als größtes Werbeunternehmen der Welt kann Google diese Seiten im Ranking nicht hinreichend für die Werbeüberfrachtung abstrafen (nicht selten wird die Werbung auf diesen Seiten schließlich über das Google-Werbenetzwerk AdSense ausgeliefert). In der Folge fühlt das Web sich nicht selten an, wie ein zugemüllter Strandabschnitt: kaputt.

Die Werbefinanzierung des Webs ist also ein Problem. Gerade dann, wenn sie die Angebote großer Gatekeeper betrifft. Neben Suchmaschinen gilt das zum Beispiel auch für Social Networks: Die Abhängigkeit von Werbedollars sorgt dafür, dass das Angebot nicht mit Blick auf die Anforderungen der Nutzer*innen hin designt wird, sondern auf die der Werbekundschaft. Zunächst klingt das harmlos, doch je stärker wir im Alltag von den Leistungen dieser Angebote abhängig sind, desto deutlicher wird die Problematik.

Der Kollaps von Twitter nach Übernahme durch den politisch fragwürdigen Milliardär und Tunnelbauunternehmer Elon Musk hat gezeigt, wie schwer es vielen Nutzer*innen fällt, sich von Plattformen zu lösen. Selbst dann, wenn Reichweite dort nur noch käuflich zu erreichen ist und der Diskurs entsprechend von nicht-gesellschaftsfähigen Individuen dominiert wird.

Was sind die Alternativen?

Zugleich zeigt gerade das Ende von Twitter auch, dass es auch anders gehen kann. Denn mit Mastodon und dem Fediverse gibt es nicht erst seit 2023 eine sinnvolle Alternative zu den großen, zentralisierten sozialen Netzwerken. Bislang werden die meist kleinen Server vor allem von Freiwilligen betrieben. Zur Refinanzierung verlassen sie sich auf Spenden der Nutzer*innen. Vereinzelt gibt es auch Server, die für die Nutzung eine feste Gebühr verlangen. Auch für Client-Apps, über die ein komfortablerer Zugang auf das Angebot möglich ist, zahlen einige Anwender*innen.

Doch trägt ein solches Modell sich auf Dauer? Der freiwillige Charakter der Zahlungen ist charmant, ermöglicht er doch auch jenen, die nicht oder nur wenig spenden können, Teilhabe am Netz und damit am Diskurs. Zugleich sind Serverbetreiber*innen nicht darauf angewiesen, Beiträge als Inventar für die Werbeausspielung zu nutzen. Milliardenkonzerne wie Alphabet oder Meta entstehen so allerdings nicht. Und: Es fehlt der Anreiz, das Netzwerk wie eine virtuelle Slotmachine zu betreiben. Es gibt keinen Anlass für die Serverbetreiber, ihr Angebot so suchterzeugend wie möglich zu gestalten. Das ist eigentlich ein Vorteil, macht Mastodon und Co. für viele aber weniger attraktiv.

Und bei der Suche?

Na ja, neben eher exotischen Open-Source-Lösungen wie der verteilten Suchmaschine YaCy, gibt es mit kagi so etwas wie einen geistigen Nachfolger der Bezahlsuchmaschine Neeva. kagi kostet zwischen 5 und 25 Dollar im Monat und verspricht Suchergebnisse besser zu ranken als Google. Dazu setzt die Suchmaschine in geringem Umfang auf einen eigenen Suchindex, greift aber vor allem die APIs anderer Suchmaschinen und Angebote ab. Dabei bleibt aber das Versprechen: Wir sind nicht von Werbung abhängig und können euch deshalb bessere Suchergebnisse bieten und müssen euch dabei noch nicht einmal tracken.

Anders als bei auf Spendenbasis betriebenen Mastdon-Servern stellt das Bezahlmodell hier aber eine handfeste Paywall dar. Werbefreiheit und womöglich sogar bessere Suchergebnisse muss man sich also leisten können.

Wie bei hinter Paywalls verschwindenden Nachrichtenangeboten platzt der in den 90ern propagierte Traum vom frei verfügbaren Weltwissen für alle damit also auch ein Stück weit.

Doch was wären andere Alternativen? Öffentlich-rechtliche oder gar staatliche Angebote? Vielleicht. Angesichts der Angriffe gegen die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland wäre so etwas gegenwärtig aber wohl kaum realisierbar.

Links 7. August 2023

+1,5 Grad bei der Erderhitzung

Die taz zeigt auf Ihrer Website seit einigen Jahren einen Countdown an, der angibt, wie viel Zeit noch bleibt, den globalen CO2-Ausstoß so zu begrenzen, dass die globale Erwärmung (wie im Abkommen von Paris vereinbart) auf 1,5° C. begrenzt wird. Angesichts der ausbleibenden Emissionsreduktionen wurde die Zielmarke dieses Countdowns jetzt von 2029 auf 2026 verschoben. Noch gute drei Jahre verbleiben nach dieser Rechnung noch, um das Ruder in Richtung 1,5° C. herumzureißen. Das muss man wohl als aussichtslos einstufen. Wie die taz aber richtig anmerkt, muss ein Überschreiten der 1,5° C. nicht endgültig sein. Werden die Emissionen danach allmählich genullt, könnte das Überschreiten ein vorübergehendes Ereignis bleiben. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass mit den 1,5° C. keine zusätzlichen Tipping-Points fallen, die weiteres CO2 freisetzen.

Googles Generalangriff auf das freie Internet

Google hat vor kurzem angekündigt, eine neues API in Chromium/Chrome zu integrieren. Das Web Environment Integrity API (WEI) soll es Seitenbetreibern vereinfacht ausgedrückt ermöglichen, sicherzustellen, dass die Seite mit einem nicht manipulierten, unveränderten Webbrowser aufgerufen wird. Was zunächst nach einer harmlosen Idee klingt, ist (so lässt sich argumentieren) ein weiterer Sargnagel für das freie, offene Web, wie es zu Beginn der 90er-Jahre von Tim Berners-Lee entwickelt wurde. DRM und Co. werden für große Anbieter so noch leichter forcierbar. Eine weitere Sorge betrifft Browserweiterungen, die den Schutz der Privtsphäre garantieren sollen – theoretisch könnte über die neue Programmierschnittstelle verhindert werden, das Browser mit einer solchen Erweiterung Zugriff auf bestimmte Seiten erhalten. Der verlinkte Artikel bei Digitalcourage informiert genauer über die mit WEI einhergehenden Risiken.

Junk websites filled with AI-generated text are pulling in money from programmatic ads

Große Teile des Internets sind werbefinanziert. Das gilt für Qualitätsmedien genauso wie für trashige Contentmühlen. Mit dem Aufkommen von machine-learning-basierten LLMs werden besagte Contentmühlen zunehmend automatisiert befüllt. Wo vor zehn Jahren noch sinnentleerte Buzzfeed-Listicles den klassischen Medien die Werbeeinnahmen abgruben, machen heute in wenigen Minuten per „KI“ herbeifantasierte Websites den Contentmühlen die eyeballs streitig. Dass damit Geld aus Werbenetzwerken wie Google Ads abfließt, kann nicht im Sinne der Betreiber sein.

„Schöne Suchmaschine haben Sie da.“

Die Systemrelevanten werden jetzt „erpresst“.

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, heißt es heißt es auf der Seite der VG Media.
Hintergrund ist, dass Google gestern angekündigt hat, Snippets und Bilder von VG-Media-vertretenen Medien nicht mehr anzuzeigen.

Ehrlich gesagt verstehe ich die VG Media nicht. Google kommt einer der Kernforderungen des Leistungsschutzrechtes nach (ein Recht das fordert, doppelplusgut!) und jetzt ist die VG Media doch wieder unzufrieden? Sollen jetzt Titelzeilen auch noch getilgt werden? Wie soll Google dann noch zu den systemrelevanten VG-Media-Medien linken? Suchergebnisse nur noch durchnummerieren?

Fragen über Fragen.