Quotebacks

Vor allem Twitter, aber auch die meisten anderen sozialen Netzwerke erlauben das sogenannte Embedding von Posts auf fremden Seiten. Wenn eine Politikerin auf Twitter ein Statement veröffentlicht, kann es auf diese Weise unmittelbar auf Nachrichtenseiten eingebunden werden. Ein Klick führt die Leser:innen dann zum Originalpost. Das führt dazu, dass dem Zitat mehr Raum eingeräumt wird, als wenn einfach nur im Fließtext steht: „Die Außenministerin gab auf Twitter bekannt …“

Solche Embeds haben im Laufe der Zeit eine neue Semantik in den schriftgeprägten Online-Medien geschaffen. Eine Semantik, die sich so nicht ohne Weiteres auf Zitate aus anderen Quellen übertragen lässt. Die großen, zentralisierten Social-Media-Plattformen, ob Instagram, Tiktok oder eben Twitter werden dadurch als wichtiger wahrgenommen als sie es vielleicht sind und sein sollten.

Quotebacks sind ein relativ einfacher Ansatz, um das Prinzip solcher Zitatblöcke auf Text aus beliebigen anderen Onlinequellen zu übertragen.

Our overal design goals are to help maintain context when composing new texts with quotes, to enable generous quotations, and to facilitate quoting all texts and voices. A bit more about these goals:

As a content creator or online writer, you can use Quotebacks to quote other people, but also to quote yourself. Not source is off limit: you can quote Tweets, YouTube, comments on HackerNews… For instance, here is a tweet of mine using Quotebacks:

Das Prinzip dahinter ist sehr simpel: Der Text wird einfach als HTML-Blockquote in eine Seite eingebunden und dann mit einem rund 100 Zeilen umfassenden Javascript formatiert. Die Zitate lassen sich mithilfe eines kleinen Plug-ins für Firefox und chromiumbasierte Browser mit wenigen Klicks erstellen und können dann in praktisch jede HTML-Seite eingebunden werden. Alternativ dazu stellt das Plug-in auch markdownformatierte Blöcke zur Verfügung – naturgemäß weniger schick, aber dafür für Obsidian und andere Notizverwaltungen geeignet. Als weitere Exportmöglichkeit bietet das Plug-in außerdem an, ein Bild der Zitatkachel zu generieren.

Das sieht dann so aus:

Das Ganze ist natürlich sehr webby und damit vermutlich nicht für jede:n das beste System. Die Loslösung von den großen, zentralisierten Social-Media-Dienstleistern könnte die Nutzung dennoch ein kleines bisschen attraktiver machen.

Film – Joan Didion: The Center Will Not Hold (2017)

Interessanter Film über die US-amerikanische Schriftstellerin Joan Didion. Der Film erzählt ihre Geschichte als Figur des öffentlichen Lebens entlang ihres Werks: Angefangen bei ihren in den 60ern für Vogue verfassten essayistischen Artikeln bis hin zu ihrem 2005 veröffentlichten „The Year of Magical Thinking“, in dem sie den Tod ihres Mannes verarbeitet.

Der Film macht deutlich, wie das Schreiben für Didion ein Weg war, Ordnung in die „atomisierte“, in kleine Einheiten zerfallende Welt zu bringen.

Angereichert mit zahlreichen Originalaufnahmen aus den letzten Jahrzehnten gelingt es dem Film im Medienbruch (immerhin beschreibt hier ein Film literarisches Wirken) eine neue Perspektive auf Joan Didion zu eröffnen.

Optimistisch

Vernunft und Technologie führen uns in die Zukunft. Allmählich lassen wir die letzten Reste des 20. Jahrhunderts hinter uns.

Eine Teilansicht des Gemäldes "Der Turm zu Babel" von Pieter Bruegel dem Älteren von 1563. Zu sehen ist die rechte Hälfte des Turms.
Turm zu Babel, Pieter Bruegel d.Ä., 1563, Teilansicht

Die dezentrale Gewinnung von Energie aus Wind und Sonne wird über kurz oder lang soviel Wohlstand über die Welt bringen, dass alle daran Teil haben können. Alle die es wollen werden die Möglichkeit haben, sich permanent weiterzubilden. Offenheit und Austausch nicht nur von technischen und künstlerischen Ideen, sondern vor allem auch von den Vorstellungen, wie es mit uns weitergehen soll, werden zu einem besseren gegenseitigen Verständnis führen.

Wir werden, dem Wunder des Internets sei Dank, zu einer weltweiten, offenen Gesellschaft zusammenwachsen. Glaubenskriege werden Vergangenheit sein. Religiöse Menschen, gleich welcher Weltanschauung, werden die Möglichkeit haben, voneinander zu lernen und zu begreifen, dass sie eigentlich alle die selbe Sprache sprechen.

Pessimistisch

Peter Finch sitzt in seiner Rolle als "Howard Beale" in einem Nachrichtenstudio.
Peter Finch in „Network“ – © Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc., 1976

Die Welt steuert auf den Klimakollaps zu, die nächste Wirtschaftskrise dräut und in viel zu vielen Ländern werden rechtsextreme Politikerinnen und Politiker in die Parlamente gewählt. Die AfD ist heute in allen deutschen Landesparlamenten und im Bundestag vertreten, Donald Trump macht sich, so scheint’s, über die Welt nur noch lustig, wenn er aus persönlichem Stolz die amerikanische Regierung auf Standby stellt und gelbgewestete Pegidisten terrorisieren Europa.

Österreich und Italien werden von rechten Hardlinern regiert, Frankreich droht über kurz oder lang das selbe Schicksal. Die russische Regierung spielt Krieg an den Grenzen Europas und die INF-Verträge haben keinerlei Bedeutung mehr.

Frohes neues Jahr 2019.

Bürgerliche Mitte

Screenshot einer Spiegel-Online-Headline "Hier mischt sich die bürgerlcihe Mitte mit Neonazis"
Spiegel Online, 28.8.18

Nein, in diesem Moment handelt es sich nicht mehr um eine bürgerliche Mitte. Wer mit Neonazis marschiert, ist ein Neonazi und sollte auch so genannt werden.

Link

Politik nach Trump

Es ist merkwürdig mitzuerleben, wie die Anforderungen an politische VertreterInnen nach Trumps Amtsübernahme in den USA erodieren. Noch vor wenigen Jahren war es üblich Wahlplakate und Politikerreden zumindest grob auf Inhalt und offensichtlichen Unfug abzuklopfen. Jetzt, im Jahr 2017, reicht schon ein halbwegs glaubhaftes Attest der geistigen Zurechnungsfähigkeit. Kann der/die KandidatIn mehr als zwei klare Sätze denken, wird er/sie nicht von einem Nazi dirigiert? Wenn ja: Kann auf die Liste wählbarer Personen.

Bannon: Who is a big boy now - Trump: I'm a big boy.
Cartoon: Pia Guerra / http://www.cbc.ca/news/canada/british-columbia/trump-cartoon-artist-1.3964846

Und wer korrigiert die Korrekturen?

Das „gemeinnützige Recherchezentrum“ correctiv will ja in Zukunft auf bzw. für Facebook die Factchecker geben und Fake-News als solche markieren. Vor wenigen Tagen hat „Correctiv-Chef“ David Schraven dazu meedia.de ein Interview gegeben. Grundtenor: Erst mal machen, dann sieht man wie viel Arbeit das eigentlich ist und in welcher Form man Facebook dafür zur Kasse bitten kann. Das ist allerdings nur eines von mehreren Problemen, die im Interview zur Sprache kommen.

  • Correctiv berechnet Facebook (zumindest bis auf Weiteres) nichts für das Factchecking. Denn, man sieht sich dort nicht als Dienstleister, sondern als unabhängige Organisation. Davon, dass damit Spendengelder zur Verbesserung der Facebook-Plattform eingesetzt würden, will Schraven aber nichts wissen: Es werde nur Geld aus dem sogenannten Zweckbetrieb ausgegeben. Inwiefern correctiv damit nicht doch zum Dienstleister wird, bleibt schwammig bis unklar.
  • Die Definition von Fake-News ist undeutlich. Schraver beruft sich auf den Fact-Checker-Kodex von poynter.org. Doch es wird auch klar, dass es in vielen Fällen nur unzureichend möglich ist fehlerbehaftete aber in der Sache korrekte Meldungen und völlige Schabenscheiße korrekt voneinander abzugrenzen (dazu ist sicher auch dieser Eintrag von Stefan Niggemeier bei uebermedien.de interessant).
  • Spendenfinanzierte Recherchen sind ab einer gewissen Größe auch auf Großspender angewiesen. Im Interview kommt zur Sprache, dass etwa der Angstprediger Tichy correctiv zum Vorwurf gemacht hat, auf der einen Seite negativ über die Sparkassen zu berichten, andererseits aber Spendengelder der Deutschen Bank zu akzeptieren. Schraven entkräftet den Vorwurf zwar mit einem Hinweis auf den zeitlichen Abstand und die Abfolge dieser Ereignisse, doch die Frage, wie mit solchen Konflikten umzugehen ist, bleibt offen. Einem Politiker verzeiht man ja den Wechsel auf fragwürdige Wirtschaftsposten auch nicht, nur weil er beteuert, dass die zum neuen Finanzier passenden Gesetzesänderungen zwei Jahre zuvor völlig unabhängig von dieser Entwicklung stattgefunden hätten.

„Alternative Facts“

Donnie „Dumbfuck“ Trump ist seit Freitag ganz offiziell vereidigter Präsident der Vereinigten Staaten. Ein Mann, der mit offensichtlichen, immer und immer wieder gebetsmühlenartig wiederholten, Lügen die Wahlen im vergangenen November gewonnen hat.

Die Mauer zu Mexiko, die er errichten lassen will, etwa: „I will build a great wall […] and I’ll build them very inexpensively. I will build a great, great wall on our southern border, and I will make Mexico pay for that wall“, wurde Trump während des Wahlkampfes nicht müde wiederzukäuen. Die USA hätten ein Außenhandelsdefizit mit Mexiko, daraus folge, die Mexikaner seien verpflichtet für den Bau aufzukommen. Ja richtig, die USA importieren mehr aus Mexiko als umgekehrt. Das Defizit beläuft sich 2014 auf schlanke 50 Milliarden Dollar im Jahr. Dass daraus keine Verpflichtung erwächst, für den Bau einer Grenzmauer zu zahlen, sollte eigentlich einleuchten. Doch Trump wiederholte diese Forderung einfach so lange, bis die amerikanische Öffentlichkeit an die Idee gewöhnt (also mürbe) war. Man mochte nun für oder gegen den Bau einer Mauer sein, doch dass die Forderung real war, daran zweifelte kaum mehr jemand.

21. Januar 2017, Tag eins nach Trumps Vereidigung
Sean Spicer, Pressesprecher des neuen US-Präsidenten, keift während seines (vermutlich beispiellos peinlichen) ersten Pressetermins die anwesenden Journalisten an und schimpft über die amerikanischen Medien, die falsch und irreführend über die enttäuschenden Besucherzahlen bei der Vereidigung Trumps am Vortag berichtet hätten. Tatsächlich habe es sich um die bestbesuchte Vereidigung aller Zeiten gehandelt: „Period.“ Eine Behauptung die von findigen Factcheckern rasch widerlegt wurde.

Am folgenden Tag wiederum äußerte sich, nach anfänglichem Ausweichen, Trumps Beraterin und Wahlkampfstrategin Kellyanne Conway zu dem Vorwurf, Spicer habe hier offenkundig gelogen: „No, don’t be so overly dramatic about it. [He] gave alternative facts.“ Alternative facts seien jawohl keine Fakten mehr sondern Unwahrheiten, wird ihr danach vorgehalten. Conway flüchtet sich daraufhin in andere Themen und rasselt eine lange Liste von Wahlkampfslogans herunter.
Nun könnte man sagen, lasst Trump doch seinen Traum, er sei ein populärer und beliebter Politiker, lasst ihn doch damit angeben, dass seine Vereidigung tolle TV-Quoten erzielt hat, soll er doch missliebige Fernsehsender als „Fake News“ abtun: Das sind doch alles nur Kleinigkeiten. Ja, sind es, aber sie summieren sich eben auf und Trump hat während des Wahlkampfs immer wieder gezeigt, dass er seine Lügen, Halb- und Unwahrheiten einfach nur immer weiter zu wiederholen braucht, um sie in den Köpfen der Menschen zu verankern.

Stellen wir uns vor: Trump fängt tatsächlich an seinen antimexikanischen Schutzwall zu errichten und beginnt zeitgleich horrende Strafzölle auf mexikanische Waren zu erheben. Dann wird er erklären: ‚Seht her, so zwinge ich die Mexikaner für unsere schöne Mauer zu zahlen.‘ ‚Na sowas, da hat er es also doch geschafft, der alte Fuchs’, wird es dann heißen. Doch Strafzölle werden eben nicht vom Händler gezahlt, sondern (über den Produktpreis) von den Kunden, in diesem Beispiel also den Amerikanern. Sollte die Situation so oder ähnlich eintreffen, gäbe es natürlich ein paar Nörgler, die das anmerken würden. Doch die Spicers, Conways und Trumps könnten lauter als sie schreien. Sie würden ihre gequirlten Lügen einfach immer weiter wiederholen und so weit mit anderen Informationen vermengen, bis niemand mehr den Überblick hätte. – Und so dürfte es dann wohl auch mit den vielen, vielen anderen unliebsamen Projekten der Trump-Administration ablaufen. Schaurig.

tl;dr: Die Trump-Regierung beginnt vom ersten Tag an zu lügen. Erstmal nur auf einem kleinen Nebenkriegsschauplatz, doch der Kampf um die Deutungshoheit zwischen Medienöffentlichkeit und Regierung ist längst entbrannt.