Und wer korrigiert die Korrekturen?

Das „gemeinnützige Recherchezentrum“ correctiv will ja in Zukunft auf bzw. für Facebook die Factchecker geben und Fake-News als solche markieren. Vor wenigen Tagen hat „Correctiv-Chef“ David Schraven dazu meedia.de ein Interview gegeben. Grundtenor: Erst mal machen, dann sieht man wie viel Arbeit das eigentlich ist und in welcher Form man Facebook dafür zur Kasse bitten kann. Das ist allerdings nur eines von mehreren Problemen, die im Interview zur Sprache kommen.

  • Correctiv berechnet Facebook (zumindest bis auf Weiteres) nichts für das Factchecking. Denn, man sieht sich dort nicht als Dienstleister, sondern als unabhängige Organisation. Davon, dass damit Spendengelder zur Verbesserung der Facebook-Plattform eingesetzt würden, will Schraven aber nichts wissen: Es werde nur Geld aus dem sogenannten Zweckbetrieb ausgegeben. Inwiefern correctiv damit nicht doch zum Dienstleister wird, bleibt schwammig bis unklar.
  • Die Definition von Fake-News ist undeutlich. Schraver beruft sich auf den Fact-Checker-Kodex von poynter.org. Doch es wird auch klar, dass es in vielen Fällen nur unzureichend möglich ist fehlerbehaftete aber in der Sache korrekte Meldungen und völlige Schabenscheiße korrekt voneinander abzugrenzen (dazu ist sicher auch dieser Eintrag von Stefan Niggemeier bei uebermedien.de interessant).
  • Spendenfinanzierte Recherchen sind ab einer gewissen Größe auch auf Großspender angewiesen. Im Interview kommt zur Sprache, dass etwa der Angstprediger Tichy correctiv zum Vorwurf gemacht hat, auf der einen Seite negativ über die Sparkassen zu berichten, andererseits aber Spendengelder der Deutschen Bank zu akzeptieren. Schraven entkräftet den Vorwurf zwar mit einem Hinweis auf den zeitlichen Abstand und die Abfolge dieser Ereignisse, doch die Frage, wie mit solchen Konflikten umzugehen ist, bleibt offen. Einem Politiker verzeiht man ja den Wechsel auf fragwürdige Wirtschaftsposten auch nicht, nur weil er beteuert, dass die zum neuen Finanzier passenden Gesetzesänderungen zwei Jahre zuvor völlig unabhängig von dieser Entwicklung stattgefunden hätten.

„Alternative Facts“

Donnie „Dumbfuck“ Trump ist seit Freitag ganz offiziell vereidigter Präsident der Vereinigten Staaten. Ein Mann, der mit offensichtlichen, immer und immer wieder gebetsmühlenartig wiederholten, Lügen die Wahlen im vergangenen November gewonnen hat.

Die Mauer zu Mexiko, die er errichten lassen will, etwa: „I will build a great wall […] and I’ll build them very inexpensively. I will build a great, great wall on our southern border, and I will make Mexico pay for that wall“, wurde Trump während des Wahlkampfes nicht müde wiederzukäuen. Die USA hätten ein Außenhandelsdefizit mit Mexiko, daraus folge, die Mexikaner seien verpflichtet für den Bau aufzukommen. Ja richtig, die USA importieren mehr aus Mexiko als umgekehrt. Das Defizit beläuft sich 2014 auf schlanke 50 Milliarden Dollar im Jahr. Dass daraus keine Verpflichtung erwächst, für den Bau einer Grenzmauer zu zahlen, sollte eigentlich einleuchten. Doch Trump wiederholte diese Forderung einfach so lange, bis die amerikanische Öffentlichkeit an die Idee gewöhnt (also mürbe) war. Man mochte nun für oder gegen den Bau einer Mauer sein, doch dass die Forderung real war, daran zweifelte kaum mehr jemand.

21. Januar 2017, Tag eins nach Trumps Vereidigung
Sean Spicer, Pressesprecher des neuen US-Präsidenten, keift während seines (vermutlich beispiellos peinlichen) ersten Pressetermins die anwesenden Journalisten an und schimpft über die amerikanischen Medien, die falsch und irreführend über die enttäuschenden Besucherzahlen bei der Vereidigung Trumps am Vortag berichtet hätten. Tatsächlich habe es sich um die bestbesuchte Vereidigung aller Zeiten gehandelt: „Period.“ Eine Behauptung die von findigen Factcheckern rasch widerlegt wurde.

Am folgenden Tag wiederum äußerte sich, nach anfänglichem Ausweichen, Trumps Beraterin und Wahlkampfstrategin Kellyanne Conway zu dem Vorwurf, Spicer habe hier offenkundig gelogen: „No, don’t be so overly dramatic about it. [He] gave alternative facts.“ Alternative facts seien jawohl keine Fakten mehr sondern Unwahrheiten, wird ihr danach vorgehalten. Conway flüchtet sich daraufhin in andere Themen und rasselt eine lange Liste von Wahlkampfslogans herunter.
Nun könnte man sagen, lasst Trump doch seinen Traum, er sei ein populärer und beliebter Politiker, lasst ihn doch damit angeben, dass seine Vereidigung tolle TV-Quoten erzielt hat, soll er doch missliebige Fernsehsender als „Fake News“ abtun: Das sind doch alles nur Kleinigkeiten. Ja, sind es, aber sie summieren sich eben auf und Trump hat während des Wahlkampfs immer wieder gezeigt, dass er seine Lügen, Halb- und Unwahrheiten einfach nur immer weiter zu wiederholen braucht, um sie in den Köpfen der Menschen zu verankern.

Stellen wir uns vor: Trump fängt tatsächlich an seinen antimexikanischen Schutzwall zu errichten und beginnt zeitgleich horrende Strafzölle auf mexikanische Waren zu erheben. Dann wird er erklären: ‚Seht her, so zwinge ich die Mexikaner für unsere schöne Mauer zu zahlen.‘ ‚Na sowas, da hat er es also doch geschafft, der alte Fuchs’, wird es dann heißen. Doch Strafzölle werden eben nicht vom Händler gezahlt, sondern (über den Produktpreis) von den Kunden, in diesem Beispiel also den Amerikanern. Sollte die Situation so oder ähnlich eintreffen, gäbe es natürlich ein paar Nörgler, die das anmerken würden. Doch die Spicers, Conways und Trumps könnten lauter als sie schreien. Sie würden ihre gequirlten Lügen einfach immer weiter wiederholen und so weit mit anderen Informationen vermengen, bis niemand mehr den Überblick hätte. – Und so dürfte es dann wohl auch mit den vielen, vielen anderen unliebsamen Projekten der Trump-Administration ablaufen. Schaurig.

tl;dr: Die Trump-Regierung beginnt vom ersten Tag an zu lügen. Erstmal nur auf einem kleinen Nebenkriegsschauplatz, doch der Kampf um die Deutungshoheit zwischen Medienöffentlichkeit und Regierung ist längst entbrannt.